- Wirbelsäulenchirurgie
- Straubinger Tagblatt
- Schwarzach -09.04.2011
Große Resonanz auf das 5. Schwarzacher Frühjahrssymposium – Zahlreiche Referenten
Schwarzach. (wr) Bei strahlendem Frühlingswetter strömten 130 Teilnehmer in die Orthopädische Fachklinik Schwarzach. Der Festsaal der Klinik war komplett gefüllt. Die Gastgeber hatten zum 5. Schwarzacher Frühjahrssymposium mit dem Thema „Aktuelles aus der Wirbelsäulenchirurgie“ eingeladen.
Professor Dr. Thomas Blattert, der Chefarzt der Abteilung für Wirbelsäulenchirurgie und Traumatologie, stellte das Team der Referenten vor. Dabei handelte es sich durchgehend um namhafte und anerkannte Spezialisten auf ihrem Gebiet, die aus Bayern, Sachsen und Tirol nach Schwarzach gekommen waren. Prof. Blattert hatte sie eingeladen, um einen aktuellen Überblick über den Stand und die Entwicklung einer modernen und innovativen Wirbelsäulenabteilung zu geben.
Den ersten Fachvortrag des Tages hielt Dr. Christoph Wirscher, Oberarzt der Abteilung für Wirbelsäulenchirurgie und Traumatologie in Schwarzach. In seinem Vortrag mit dem Titel „Deformitäten bei Jung und Alt – Strategien zwischen Maß und Machbarkeit“ zeigte Dr. Wirscher die verschiedenen Stadien der Skoliose Erkrankung beim Erwachsenen aber auch beim Kind auf und erläuterte den korrekten Therapieansatz. Da jede Fehlstellung der Wirbelsäule vor dem Wachstumsabschluss genauso wie im Alter eine sehr individuelle Erkrankung ist, sollte das Behandlungskonzept auch auf jede einzelne Person zugeschnitten sein.
Moderne Operationsweise
Zweiter Redner der Vormittagssitzung war Dr. med. Rudolf Bertagnoli, Pro-Spine, Bogen, der über bewegungserhaltende Operationen an der Wirbelsäule sprach. Er ging auf moderne Operationsmöglichkeiten ein, die unter bestimmten Umständen einer versteifenden Operation vorgeschaltet werden und diese hinauszögern können. Diese Therapieverfahren bilden die Zwischenstufe eines modernen Therapieansatzes zwischen kleinen microchirurgischen Eingriffen und den größeren Versteifungsoperationen. Er betonte insbesondere die Tatsache, dass es sich bei den meistern Wirbelsäulenpatienten mit Verschleißerscheinungen um chronische Patienten handle, mit der Notwendigkeit einer permanenten Behandlung.
Prof. Dr. med. Christoph Heyde, stellvertretenden Direktor der Orthopädischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Leipzig, rundete mit seinem Vortrag zum Thema „Indikationen zur Operation bei degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen“ die Vormittagssitzung ab. Prof. Heyde hatte die notwendigen Voraussetzungen und Abklärungen vor einer Operation im Fokus.
Rundum gut versorgt
In einer einstündigen Mittagspause fühlten sich die Teilnehmer von der Küche der Orthopädischen Fachklinik rundum gut versorgt und hatten Zeit, die umfangreiche Industrieausstellung mit neun verschiedenen Anbietern aus allen Bereichen der Wirbelsäulenchirurgie zu besuchen. Den Beginn der Nachmittagssitzung machte Dr. Dipl.-Ing. Werner Schmölz, der Leiter des Biomechanik-Labors am Universitätsklinikum Innsbruck. In seinem Vortrag erläuterte er die Leistungsfähigkeit verschiedener biomechanischer Untersuchungen und machte deutlich, dass Implantate, die an der Wirbelsäule zum Einsatz kommen, vor ihrem Einsatz immer eine mehrjährige Testphase im Labor durchlaufen.
Prof. Dr. med. Hans Hertlein, Chefarzt der orthopädischen und Unfallchirurgischen Klinik des Städtischen Krankenhauses München-Harlaching, erläuterte die Zusammenhänge zwischen Verletzungen an der Wirbelsäule und den entsprechenden Therapieansätzen. Den letzten Fachvortrag des Symposiums hielt Prof. Dr. Blattert als Gastgeber selbst. Thema seines Vortrages war „Pathologische Frakturen der Wirbelsäule“. Es ging sowohl um Wirbelkörperbrüche, die durch bösartige Tumoren oder Metastasen entstehen können, als auch solche, die bei Knochenschwund und Osteoporose auftreten. Hinsichtlich der osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen, die insbesondere die älteren Menschen treffen, gäbe es heutzutage wenige belastende, minimalinvasive, also mit sehr kleinen Hautschnitten durchführbare Operationen mit sofortiger Stabilisierung und Schmerzbesserung für den Patienten. Solche osteoporotischen Frakturen kämen am häufigsten im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule vor, aber auch das Kreuzbein und der Beckenring könnten davon betroffen sein und seien aber gleichzeitig ebenso gut behandelbar. Als um 14 Uhr das Symposium nach interessanten Diskussionsbeiträgen der Zuhörerschaft pünktlich zu Ende ging, waren sich Referenten und Besucher einig, dass eine optimale Versorgung eines Wirbelsäulenpatienten nur in einem gut funktionierenden Netzwerk aus niedergelassenen Kollegen, wirbelsäulenchirurgischen Spezialkliniken sowie nachbetreuenden Physiotherapeuten und Rehabilisationsmedizinern gelingen kann.
Unter Skoliose versteht man eine Fehlstellung der Wirbelsäule, genauer gesagt eine dauerhafte seitliche Verbiegung mit einer Drehung der einzelnen Wirbelkörper.
Der Ursprung dieser seitlichen Verkrümmung kann in verschiedenen Bereichen der Wirbelsäule liegen. Befindet sich die Verkrümmung im Bereich der Brustwirbelsäule, so spricht man von einer thorakalen Skoliose.
Bei der lumbalen Skoliose handelt es sich um eine Verbiegung der Wirbelsäule in den Lendenwirbeln, bei der thorakolumbalen Skoliose im Übergangsbereich zwischen Brust- und Lendenwirbelsäule und bei der thorakalen und lumbalen Skoliose ist eine zweifache Verkrümmung im Brust- und Lendenwirbelbereich erkennbar.
Bei etwa 85% aller Skoliose-Erkrankungen ist die auslösende Ursache unbekannt, sie sind daher "idiopathischen" Ursprungs. Von einer idiopathischen Skoliose sind vor allem Säuglinge, Kleinkinder, Kinder bis zum 10. Lebensjahr und Jugendliche in der Pupertät betroffen, da ihre Wirbelsäule einem starken Wachstum ausgesetzt ist. Mädchen sind von dieser Form der Skoliose viermal so häufig betroffen wie Jungen.
Weitere Skolioseformen, die weitaus seltener sind als die idiopathische Skoliose und auf andere Erkrankungen zurückzuführen sind, sind folgende:
Neuropathische Skoliose: Diese Art der Skoliose ist durch Erkrankungen bedingt, die mit einer Schädigung des Nervensystems einhergehen, z. B. spinale Kinderlähmung. In schlimmen Fällen kann es auf Grund der starken Funktions-Einschränkung einzelner Organe zu einer lebensbedrohlichen Herzinsuffizienz kommen.
Kongenitale Skoliose: Hierbei handelt es sich um eine angeborene Skoliose, die auf schwere vorgeburtliche Entwicklungs-Störungen zurückzuführen ist.
Metabolische Skoliose: In diesem Fall liegen die Ursachen bei Erkrankungen des Knochen-Stoffwechsels. Beispiele hierfür sind Glasknochen-Krankheit und Osteoporose.
Mesenchymale Skoliose: Zurückzuführen auf Erkrankungen des Bindegewebes, zum Beispiel auf starke Narbenbildung und auf das Marfan-Syndrom (genetisch bedingte Bindegewebs-Erkrankung).
Myopathische Skoliose: Diese Form der Skoliose ist durch Erkrankungen der Muskulatur bedingt. Es handelt sich in diesem Fall um einen angeborenen oder erworbenen Muskelabbau zwischen den einzelnen Wirbelkörpern.
Radiogene Skoliose: Hierbei handelt es sich um eine Folge einer Strahlen-Therapie im Kindesalter.
Statische Skoliose: Ist durch eine unterschiedliche Lage der beiden Beine bedingt, d. h. auf Grund der unterschiedlichen Länge der beiden Beine.
Entzündliche Skoliose: Zurückzuführen auf schwere Entzündungen im Bereich der Wirbelkörper.
Posttraumatische Skoliose: Diese Art der Skoliose ist auf schwere Unfälle oder heftige Stürze zurückzuführen.
Vorzeitige Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule an Bandscheiben und Wirbelkörpern sind die häufigste Folge einer über Jahre hinweg andauernden Skoliose. Hieraus können Bandscheibenvorfälle oder eine immer weiter zunehmende Versteifung der Wirbelsäule resultieren. Oft kann dies zu einer lebenslangen Invalidisierung des Patienten führen.
Durch die Verbiegung der Wirbelsäule sind auch Hüft- und Kniegelenke von frühzeitigen Abnutzungserscheinungen betroffen, was eine stetig zunehmende Bewegungs-einschränkung in den betroffenen Gelenken nach sich ziehen kann.
Auf Grund der Verkrümmung der Wirbelsäule kommt es zu einer Verkürzung des Rumpfes und somit zu einer Verkleinerung des Brust-und Bauchraumes. Dieses kann die Funktion verschiedener innerer Organe, wie Lungen, Nieren, Herz und Darm einschränken. Vor allem die Leistungsfähigkeit des Herzens ist in vielen Fällen stark beeinträchtigt.